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Blog der Hofkirche

Herzensgebet:
Intime Momente mit Gott

Das sprichwörtliche »stille Kämmerlein«, in das Jesus uns zum Gebet schickt (Matthäus 6,6), bietet Spiritualität in einer Form an, die gut zu den Corona-Verhaltensregeln passt.
Das Wagenrad ist das Symbol des Herzensgebets. Das Rad hat Speichen, die zur Nabe weisen. Sie symbolisieren den Weg in die eigene Mitte, um dort Gott zu finden. Das Rad hat aber auch Speichen, die von der Mitte wieder nach außen leiten. Sie stehen dafür, dass die Begegnung mit Gott in das alltägliche Leben hinein wirkt, seine Kostbarkeit zeigt und dass dieses Leben es wert ist, gut gelebt zu werden.

Artikel als Podcast:

Intime Momente mit Gott – Das sprichwörtliche stille Kämmerlein, in das Jesus uns zum Gebet schickt (Matthäus 6,6), bietet Spiritualität in einer Form an, die gut zu den Corona-Verhaltensregeln passt. Deshalb hier ein Artikel, den ich im Februar 2019 für die Rubrik „Blickpunkt Kirche“ in der MAZ geschrieben hatte. Ich möchte damit eine weitere Anregung geben, wie die Pandemie als Chance genutzt werden kann, neue spirituelle Erfahrungen zu machen.

Jesus war auch ein Lehrer des Gebets. Dabei ging es ihm nicht um formvollendete Liturgie oder poetische Sprache. Sein Anliegen war es, Menschen zu ermutigen in einer zutiefst aufrichtigen Weise die Begegnung mit Gott zu suchen. Deshalb schlug er vor, zum Beten alleine in einen ruhigen Raum zu gehen, von dem zu erwarten war, dass dort einen niemand ablenken würde. Damit wären die äußeren Bedingungen gegeben, um einen intimen Moment mit Gott zu erleben, der kraftvoll und nachhaltig genug ist, um über sich selbst hinaus wirken zu können.

Welche inneren Voraussetzungen sind für solch eine Art zu beten notwendig? „Gott sieht in das Verborgene“, erklärte Jesus in diesem Zusammenhang.

Seitdem haben sich Menschen auf den Weg gemacht, durch Gebetspraxis zu erfahren, was das bedeuten könnte. Dazu begaben sich einige von ihnen über einen längeren Zeitraum hinweg täglich an einen Ort, wo sie mit Gott allein sein konnten. Sie beschränkten sich darauf, in seiner Gegenwart zu atmen, weil Gott derjenige ist, der alles Leben und allen Atem gibt. Das taten sie, um sich von Gott tief in ihr Herz blicken zu lassen und erlebten, wie sie nun gemeinsam mit Gott das zu sehen bekamen, was vor ihnen selbst verborgen war, obwohl es sich tief in ihren eigenen Herzen befand. Zusammen mit Gott sahen sie ihre Ängste, ihre Sehnsüchte, ihre Enttäuschungen. Sie sahen auch ihre Fragen und Zweifel an Gott, der Welt und dem Glauben. Sie sahen aber ebenfalls, wie in der Gegenwart Gottes sich alles Leben – und eben auch ihr eigenes – als wertvoll und bedeutsam darstellte. Weil diese Beter, während sie in der Gegenwart Gottes atmeten, die Kostbarkeit des Lebens erlebten, entstand ihnen Kraft, ihre Fragen und Zweifel auszuhalten, Enttäuschungen zu überwinden, ihre Sehnsüchte und Ängste verstehen und beherrschen zu lernen und schließlich auch ihre Sünden zu bekennen. Sie fanden zu sich selbst, indem sie sich mit großer Offenheit in die Gegenwart Gottes begaben. In der Tiefe ihres Herzens trafen sie auf Gott, der ihnen dort die Schönheit und das Wunder des Lebens offenbarte und sie so stark machte, um selbst zu leben – mit allen Herausforderungen, die ihr Leben jeweils mit sich brachte.

Das Wagenrad ist das Symbol des Herzensgebets, das ich hier von seinem inneren Anliegen heraus beschrieben habe. Das Rad in der Grafik hat Speichen, die zur Nabe hinweisen. Sie symbolisieren den Weg in die eigene Mitte, um dort Gott zu finden. Das Rad hat aber auch Speichen, die von der Mitte wieder nach außen leiten. Sie stehen dafür, dass die Begegnung mit Gott in das alltägliche Leben hineinwirkt, seine Kostbarkeit zeigt und dass dieses Leben es wert ist, gut gelebt zu werden.

Im Laufe der vergangenen Jahre habe ich doch von einigen Christen aus meinem Bekanntenkreis erfahren, dass sie diese meditative Art des Gebets für sich entdeckt haben und es inzwischen regelmäßig praktizieren. Leider ist es nicht damit getan, es mal ein paar Minuten auszuprobieren. Es ist nötig, es als Meditationspraxis über geraume Zeit einzuüben (drei bis sechs Monate). Irgendwann wird es dann so selbstverständlich wie das Atmen selbst und begleitet einen überall hin. Ich weiß von jemanden, der beim Joggen in dieser Weise betet. Andere finden anders ihren Atem- und Gebetsrhythmus.

Die Bewegung von außen nach innen und wieder von innen nach außen entspricht dem Rhythmus des Atmens. Dabei werden beim Ein- und Ausatmen immer wieder dieselben knappen Gebetsworte wiederholt. Welche Worte dafür jeweils gewählt werden, ist eine sehr persönlich Sache. Wichtig ist, dass durch sie meine Christus-Beziehung einen aufrichtigen Ausdruck findet. Eine sehr kurze Variante bieten die Worte in der Nabe: Beim Einatmen spricht/betet man, „Du in mir!“ und beim Ausatmen „Ich in dir!“ und meint damit beim Einatmen „Jesus Christ, Sohn Gottes!“, während der Gedanke „Mein Erlöser und Herr!“ das Ausatmen begleitet. Weitere Informationen und Gebetsformulierungen bietet der Wikipedia-Artikel „Jesusgebet“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Jesusgebet).
Pastor Thilo Maußer